Steinhoff Aktie: „Überschuldung“, „Fremdkapitalstruktur“, „stille Reserven“ – Bilanzbericht genauer betrachtet.

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Steinhoff Aktie im Normalmodus?

Die Steinhoff Aktie auf dem Weg zur Normalität? Letzte Woche gab es das, was Aktionäre freut: Übernahme und Einstieg in einen Wachstumsmarkt – einmal hat so was schon Milliardenwerte geschaffen. Ob es wieder gelingt, wie seit 2003 aus 14 Pepco-Stores in Polen einen (europäischen) Konzern mit aktuell mehr als 3.500 Stores zu schaffen, ist natürlich vollkommen offen, aber greifbar ist der am 28.01.2022 veröffentlichte Bilanzbericht der Steinhoff International Holdings NV (ISIN: NL0011375019). Und den haben wir uns in einzelnen Punkten etwas näher angesehen – zu den generellen Zahlen und deren Aussage gab es bereits den Bericht am 28.01.2022, heute „Auffälligkeiten“, Besonderheiten:

Steinhoff Aktie wertlos wegen „Überschuldung“ des Konzerns? Wirklich überschuldet?

Den Anfang macht das Reizthema „Ist dieSteinhoff International Holding NV überschuldet?“: Unterschieden wird in Deutschland zwischen bilanzieller und insolvenzrechtlicher Überschuldung. Und bilanzrechtlich ist die Steinhoff „überschuldet“: Die Aktiva der Bilanz ergeben 15,084 Mrd EUR und die Verbindlichkeiten gegenüber Dritten auf der Passivseite betragen 18,245 Mrd EUR. Also ergibt sich ein negatives Eigenkapital von derzeit 3,161 Mrd EUR.

Wesentliche Verbesserung der Eigenkapitalposition um mehr als eine Milliarde EUR

Und gegenüber der letzten Bilanz 2019/2020 schaffte hier Steinhoff eine Reduktion des negativen Eigenkapitals um rund eine Milliarde EUR: Aus Minus 4,181 Mrd EUR wurden „nur noch“ 3,161 Mrd EUR. In der Bilanz schlummern aufgelaufene Verluste von 15,125 Mrd EUR und bieten noch viel Aufholpotential für die Steinhoff in den nächsten Jahren. Zu bedenken ist, dass die jetzt vorgelegte Bilanz die Vergleichszahlungen bilanziell verarbeitet hat und zukünftig – ausser den exorbitant hohen Zinsen auf einen extrem hohen Schuldenstand – keine Folgen des Bilanzbetrugs mehr zu verarbeiten sind.

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Insolvenzrechtliche Überschuldung liegt laut Management und Wirtschaftsprüfern nicht vor!

Wie geht das? Mehr Schulden als Vermögen müsste doch „Pleite“ bedeuten. Hiergegen argumentiert das Managemnet im „Financial and business review“ des Bilanzberichts. Und das offensichtlich so überzeugend, dass die Prüfer von Mazars dieser Argumentation folgen können. Auf die Frage „... whether
the Group and the Company can continue
in operational existence for the foreseeable
future.“ gibt es klare Antworten:

Zum 30.09.2021 übersteigen die liquiden Mittel die aktuellen Zahlungsverpflichtungen des Steinhoff Konzerns. Und für zukünftige Zahlungsverpflichtungen verweist man auf die Verbuchung der meisten Assets der Steinhoff International Holdings NV zu „historischen Anschaffungskosten“. Also zu Buchwerten, die weit entfernt vom tatsächlichen Wert der Beteiligungen wären – stille Reserven also, die in der Bilanz nicht ausgewiesen sind und dazu führen würden, die bilanzrechtliche Überschuldung „aufzuheben“ laut Management. Niederschlag fänden die stillen Reserven in der Einzelbilanz der Steinhoff International Holding NV – hier weist man ein positives Eigenkapital von rund 141 Mio EUR aus! (Seite 217 Annual Report).

Fortführungsabsicht für den Steinhoff Konzern lasse kontinuierlichen Abbau der Schulden durch operative Erträge und Desinvestments zu – laut Management

Und hiermit spielt man auf die erklärte Absicht an, die zu hohe Zinsbelastung durch Desinvestments (zuletzt LIPO, geplanter Börsengang Mattres Firm) und Neuverhandlung der Zinskonditionen wesentlich zu reduzieren. Der Verhandlungs-KO unbezahlbarer Schadensersatzforderungen ist ja seit diesem Jahr „weg“ udn macht so solche Verhandlungen überhaupt sinnvoll führbar. Uns erscheint auch ein „Tausch“ von Schulden in Aktien teilweise vorstellbar.

Fortführung mindestens für die nächsten 12 Monate sei garantiert und sei Basis für die einzelnen Bilanzbewertunsgansätze gewesen: „…sufficient resources to continue in operationfor the foreseeable future, which is not less than twelve months from the date of authorisation of these 2021 Consolidated Financial Statements. The Management Board has adopted the going concern basis in preparing these 2021 Consolidated Financial Statements“

FAZIT: Bilanzielle Überschuldung, kräftig reduziert gegenüber dem Vorjahr, liegt vor, insolvenzrechtliche Überschuldung nicht.
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Steinhoff Aktie – wie sieht die Fremdkapitalstruktur aus? Die grössten, teuersten Schulden liegen bei Hedgefonds.

Exakt 9,534 Mrd EUR betragen die „alten Anleihenschulden“ der Steinhoff International Holdings NV. Und für diese seinerzeit „notleidenden“ und zu Discountpreisen meist bei Hedgefonds gelandeten Anleihen schloss die um ihr Überleben kämpfende Steinhoff-Gruppe „Stundungs- und Fristverlängerungsvereinbarungen“. Zuletzt wurden diese Ausleihungen bis zum 31.12.2023 verlängert – das ist das Zeitfenster für Neuverhandlungen der Zinssätze, Rückzahlungsmodalitäten für da Steinhoff Management.

Und wie wichtig die Verhandlungen sind zeigen die aktuellen Zinssätze, die nach Vergleichsschluss „nicht mehr passen“: Für insgesamt 3,667 Mrd EUR werden 10 % Zinsen jährlich fällig, für 1,177 Mrd EUR sind es 7,875 % und für 4,712 Mrd EUR sogar 10,75 % – DAS SIND DIE BAUSTELLEN DES MANAGEMENTS AKTUELL.Und erschwerend hinzu kommt, dass nicht mehr die ursprünglich Darlehensgeber, das who-is-who der weltweiten Grossbanken, Eigentümer der Forderungen sind, sondern häufig Hedgefonds, die „ihr Geschäft“ des maximalen Erlöses verstehen.

Wo liegen die „Schätze“ der Steinhoff Aktie?

In ihrer Fortführungsprognose spricht das Management – Board of Directors und Supervisory Board – von historischen Buchwerten und somit von „stillen Reserven“ in der Konzernbilanz. Wo liegen diese? Zuerst ins Auge fällt die – noch – 50 % Beteiligung an der Mattres Firm, die nach ihrem Chapter 11 Verfahren eine ungeahnte Wiedergeburt erlebte und erlebt. Und bilanziell sollte hier das grösste Potential für die Bilanz stecken. Auch wenn das Management der Tochter noch bis zu 5 % der Mattres Firm Anteile bei Erreichen gewisser Milestones sehr wahrscheinlich erhalten wird, stehen 45 % auf der Aktivseite der Steinhoff.

Aus einer hochverschuldeten, rote Zahlen schreibenden Mattres Inc. wurde eine Mattres Firm mit aktuell 3,676 Mrd EUR Umsatz bei einem Gewinn nach IFRS von 237 Mio EUR (nach USGAAP Verlust 138 Mio EUR). Für die Beteiligung bilanziert die Steinhoff KEINEN Goodwill mehr aus dem damaligen Kauf kurz vor Bekanntwerden des Bilanzbetruges mehr, weil dieser vollständig abgeschrieben werden musste im Rahmen des Chapter 11 Verfahrens.

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Fazit: Spannend wird hier die Marktbewertung des – wahrscheinlich – 45 % Anteils der Steinhhoff bei dem geplanten IPO sein.

Wieviel die Steinhoff Gruppe letztendlich für die aktuell an XXXL Lutz verkaufte LIPO erzielen wird, ist offen. Und  somit auch die Höhe eines eventuellen Buchgewinns aus diesem Verkauf. Wobei Ähnliches auch für das von Greenlit Brands für rund 110 Mio AUD veräusserte „Plüschgeschäft“ gilt. Auch offen ist die Bewertung des seit längerem diskutierten Börsengangs der Fantastic Furnitures der australischen Steinhoff-TochterGreenlit Brands. Einfacher kann man die Wertentwicklungen der börsennotierten Beteiligungen Pepkor Group – an der Steinhoff nach Zahlung der Vergleichsvereinbarung noch 50 % halten will/wird – und den 78,9 % Anteil an Pepco beobachten. Dazu kommen noch einige „kleinere“ Beteiligungen, wie beispielsweise die Hemsisphere Properties, die immer noch europäische Gewerbeimmobilien im dreistelligen Mio EUR Buchwert hält, welche früher von Konzernbeteiligungen genutzt worden sind. Und hier läuft der Verkaufsprozess für die einzelnen Objekte weiter – Bilanzwirkung offen.

Und ja es gibt ein uneingeschränktes Testat durch die Wirtschaftsprüfer – Unsicherheiten aus den Rechtsstreitigkeiten sind grösstenteils „erledigt“, so dass es nun gilt:

Steinhoff Aktie könnte bald für einen“normaler“ Retailkonzern stehen.

… mit wachstumsstarken Töchtern, die in ihren jeweiligen Märkten oftmals  besser als die Konkurrenz durch die Corona Krise gekommen sind. Und man ist nicht mehr ein Konzern, der sich mit Schadensersatzforderungen konfrontiert sieht, die bei weitem alle seine Vermögenswerte überschreiten. Jetzt ist man „nur noch“ ein überschuldeter Konzern, der seine Verschuldung und insbesondere seine Zinslast reduzieren muss. Zumindest wenn er dauerhaft überleben will, wobei Pepkor’s Schritt nach Südamerika könnte hier einen wesentlichen Beitrag leisten…

 

Steinhoff Aktie könnte vom Schritt Pepkors profitieren.

 

Chart: Steinhoff International Holding NV | powered by GOYAX.de

 

 

 

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