Freiverkehr | amalphi / medondo holding: „Wir wollen die SAP des Medizinsektors werden“

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Aus der amalphi AG (ISIN: DE0008131350) wird nach dem erfolgreichen Reverse-IPO die medondo Holding AG. Der operative Fokus liegt nun auf der Entwicklung und Vermarktung einer innovativen und modular aufgebauten Cloudsoftware für Arztpraxen und Kliniken. „medondo holding wurde von Anfang an auf allen Ebenen auf ein internationales Wachstum ausgelegt, so dass wir gute Chancen sehen, die zukünftige SAP des Medizinsektors zu werden“, ist CEO Peter Biewald überzeugt. Im Interview mit dem Nebenwerte-Magazin spricht Peter Biewald u. a. auch über Multiplikatoren aus dem Aktionärskreis, den Verkauf des Altgeschäfts, eine Erweiterung des Vorstands und einen möglichen Wechsel in ein höher reguliertes Marktsegment.

Herr Biewald, aus der amalphi AG wird die medondo holding AG. Mit der Umbenennung ist auch eine vollständige Neuausrichtung der Gesellschaft verbunden. Wie ist die künftige medondo Holding aufgestellt?

Peter Biewald: Die, wie Sie richtig bemerkt haben, völlige Neuausrichtung des Unternehmens schlägt sich auch in der Organisationsstruktur nieder. Die medondo holding AG fungiert zukünftig tatsächlich als Management-Holding, die für die Querschnittsfunktionen zuständig ist und die strategische Steuerung der operativen Gesellschaften medondo AG, medondo Systemservice GmbH und medondo Praxisservice GmbH verantwortet. Im Zuge dieser Neuausrichtung haben wir uns folgerichtig vom früheren Kerngeschäft, dem Wartungsgeschäft (Third Party Maintenance), getrennt. Unser Fokus liegt nun auf der Entwicklung und Vermarktung einer innovativen und modular aufgebauten Cloudsoftware für Arztpraxen und Kliniken.

Verfügt medondo über spezielle USPs, mit dem das das Angebot im Wettbewerb hervorsticht?

Peter Biewald: Sowohl Studien von renommierten Beratungshäusern als auch unsere eigenen Marktrecherchen haben ergeben, dass das Angebot an Softwarelösungen für den Medizinsektor in Deutschland immer mehr am Bedarf vorbei geht. Das Problem, dass es für die Arbeitsabläufe in Praxen keine durchgängigen Lösungen gibt, wurde bisher durch zwei Faktoren verschärft: Zum einen gibt es in Deutschland keinen herstellerübergreifenden Plattformansatz für die Integration heterogener Softwaresysteme. Zum anderen gibt es zunehmend Softwareanbieter, die sich als App-Entwickler auf einzelne Themenbereiche wie zum Beispiel die Terminvergabe spezialisieren. Damit fehlt der Blick auf das große Ganze, und die Praxisteams verlieren sich in einer Flut an eigentlich überflüssigen manuellen Arbeitsschritten.

Und hier schafft medondo Abhilfe?

Peter Biewald: Richtig, medondo setzt genau hier an und arbeitet an einer offenen Medizinplattform für durchgängige, automatisierte Prozesse. medondo bietet eine kontinuierlich zunehmende Palette an einzelnen Apps, die den Praxisalltag erleichtern. Das entscheidende ist jedoch, dass diese über den Plattformansatz in einem voll integrierten System zusammenspielen. Es gibt ein einheitliches Design, ein einheitliches Bedienungskonzept und unter der Haube eine gemeinsame Datenbank.

Und wie sieht es mit dem Thema Sicherheit aus?

Peter Biewald: Die moderne Sicherheitsarchitektur ist ein weiterer entscheidender USP von medondo. Wer aufmerksam die Veröffentlichungen zum Thema Datenschutzverstöße und Sicherheitsmängel von Softwarelösungen verfolgt, findet die Bestätigung dafür, dass medondo alle technischen Vorkehrungen dafür trifft, Patientendaten nur denen zugänglich zu machen, die ein berechtigtes Interesse haben: Und das sind ausschließlich der behandelnde Arzt und der Patient.

Welche weiteren Vorteile haben Praxen und Kliniken bei einem Umstieg auf die medondo-Software?

Peter Biewald: Es gibt drei Gründe, warum Praxen medondo einsetzen:

  1. Zeit: Fachrichtungsübergreifend verbringt eine Praxis im Schnitt 11,8 Minuten mit der Behandlung eines Patienten und 18,9 Minuten mit der Dokumentation und behandlungsbegleitenden Aufgaben. Der Wegfall vieler manueller Prozesse bringt einer Praxis einen erheblichen Zeitgewinn. Im Ergebnis hat der Arzt mehr Zeit für seine Patienten.
  2. Geld: Vergleicht man die Total Cost of Ownership für den Betrieb und die Wartung bestehender Softwarelösungen, wird die gesamte IT-Infrastruktur der Praxis einfacher, professioneller und günstiger. Noch größer ist das Potenzial, wenn der medondo manager auch die Abrechnung übernimmt. Die strukturierte Dokumentation von der Behandlungsplanung bis zur Leistungserbringung in Verbindung mit der Überwachung der von der Praxis selbst definierten Prozess- und Qualitätsstandards führt dazu, dass alle erbrachten Leistungen korrekt abgerechnet werden.
  3. Service: medondo stellt den Patienten in den Mittelpunkt und bindet ihn über das Patientenportal nahtlos in die Arbeitsabläufe der Praxis ein. So erfasst der Patient nicht nur seine eigenen Daten (wie zum Beispiel die Anamnese) selbst, sondern er wird vom System auch dahingehend unterstützt, die Verantwortung für den Erfolg seiner eigenen Behandlung zu übernehmen. Im Detail gibt es außerdem viele kleine Wow-Effekte für Patienten, die nur über den ganzheitlichen Ansatz der Medizinplattform realisierbar sind.
Der Nachholbedarf vieler Praxen in Sachen Digitalisierung dürfte Ihnen in die Karten spielen. Über welches Marktpotenzial sprechen wir hier und wo sehen Sie besondere Chance für medondo?

Peter Biewald: Allein in Deutschland gibt es etwa 350.000 Ärzte und Zahnärzte. Abgeleitet aus den Marktdaten ergibt sich ein Gesamtpotenzial in Höhe von etwa 1 Milliarde Euro pro Jahr für Praxismanagementsoftware als SaaS-Modell (Software-as-a-Service). Die technischen, organisatorischen und vertrieblichen Voraussetzungen dafür, dass medondo in den kommenden Jahren signifikante Marktanteile erreicht, sehen Branchenkenner als gegeben an. medondo wurde allerdings von Anfang an auf allen Ebenen auf ein internationales Wachstum ausgelegt, so dass wir, wie schon angekündigt, gute Chancen sehen, die zukünftige SAP des Medizinsektors zu werden.

Welche weiteren Produkte (und Dienstleistungen) hat medondo in der Pipeline?

Peter Biewald: Unser Ziel ist, dass die medondo Holding AG mit einem breiten Spektrum an Produkten und Dienstleistungen den perfekten Rundum-Sorglos-Service für erfolgreiche Praxen realisiert.

  • Die medondo AG hat aktuell das Qualitätsmanagementsystem mindmaxx, die Marketinglösung communicator, die Patientenservicelösung coordinator und die zahnärztliche Diagnostiklösung CMD professional im Programm. Das Hauptaugenmerk liegt nun darauf, den medondo manager als ultimative Gesamtlösung zu entwickeln und über den Plattformansatz wertvolle Zusatzprogramme von Partnern anzubinden.
  • Die medondo Systemservice GmbH bietet heute schon eine proaktive Betreuung der Praxis-IT auf Basis des mit einem Innovationspreis ausgezeichneten medondo watchdog. Auch die Bereiche Datenschutz sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz werden von dem Expertenteam abgedeckt. Neu im Programm ist eine Signage-Lösung, mit der über den medondo communicator ein individuelles Praxis-TV-Programm ausgestrahlt werden kann.
  • Der Fokus der medondo Praxisservice GmbH liegt im Bereich Fortbildung, Coaching und Zertifizierung von Praxen. Hier werden wir in Kürze das Produkt medondo navigator auf den Markt bringen. Dabei handelt es sich um ein Konzept, um einer Praxis auf Basis einer umfassenden Selbstbewertung brach liegende Potenziale aufzuzeigen und dann in einen strukturierten Entwicklungsprozess zu bringen, der von erfahrenen Praxismanagern begleitet wird. Im medondo navigator haben wir das gesammelte Wissen der letzten 23 Jahre verdichtet, mit welchen Konzepten und Methoden eine Praxis nachweislich erfolgreich(er) wird.
Durch die medondo-Übernahme haben Sie viele Ärzte als neue Aktionäre gewonnen. Inwiefern hilft Ihnen das bei der Produktentwicklung und im Vertrieb?

Peter Biewald: medondo wurde von innovativen Ärzten ins Leben gerufen, die den Medizinsektor aktiv gestalten möchten. Dass wir die erste Finanzierungsrunde nahezu vollständig mit Ärzten realisiert haben, war für uns der „proof of pain“. Nach wie vor kann sich jeder Arzt, der das Potenzial aus eigener Sicht erkennt und bestätigt, als Aktionär an der zukünftigen Entwicklung beteiligen. Darüber hinaus bieten wir mit dem medondo innovation club aber auch die Möglichkeit, auf die Produktentwicklung Einfluss zu nehmen. Hier können Praxisinhaber und -mitarbeiter konkrete Bedürfnisse und Wünsche einbringen, die von den „Product Ownern“ aufgenommen und agil umgesetzt werden. Für medondo bilden die inzwischen 50 Mitglieder eine essenzielle Stütze, um Produkte ganz nah am Praxisalltag zu entwickeln. So ist es auch nicht verwunderlich, dass aus diesem Kreis einige als Multiplikatoren im Kollegenkreis auftreten und damit den Vertrieb unterstützen.

Welche Rolle spielt weiteres anorganisches Wachstum in Ihren Expansionsplänen?

Peter Biewald: Die Mittel aus den erfolgreich durchgeführten Kapitalmaßnahmen setzen wir auf Basis unseres Business Plans ein, um die Weiterentwicklung der Software und den Markteintritt zu finanzieren. Darüber hinaus eröffnet uns dieser finanzielle Spielraum die Möglichkeit, über den Tellerrand zu schauen und anorganisches Wachstum in unsere Überlegungen mit einzubeziehen. Wir können uns gut vorstellen, das eine oder andere Projekt zu akquirieren, wenn wir damit Produktentwicklung oder Markteintritt deutlich beschleunigen können.

Im Juni haben Sie die Veräußerung des Wartungsgeschäfts (Third Party Maintenance, TPM), Ihres früheren Kerngeschäfts, an die Weiss IT Gruppe, einen strategischen Investor, vermeldet. Warum haben Sie sich von diesem Bereich getrennt?

Peter Biewald: Da wir uns wie geplant auf das neue Geschäftsfeld konzentrieren wollen und die Synergien zwischen diesem und dem „alten“ Wartungsgeschäft überschaubar sind, haben wir uns dazu entschlossen, das TPM-Geschäft vollständig abzugeben. Dieses Geschäft wird vom Käufer mit demselben Personal, denselben Kunden und sogar unter demselben Markennamen „amalphi“ praktisch unverändert fortgeführt. Andersherum betrachtet hat sich eigentlich nur der Eigentümer des Geschäfts geändert.

Für die medondo holding bedeutet dies, dass wir nunmehr tatsächlich ein Pure Play im Bereich „Digitalisierung im Medizinbereich“ sind und eine klare, stringente Equity Story zu erzählen haben.

Ist mit der Neuausrichtung auch eine Erweiterung des Vorstands angedacht?

Peter Biewald: Eine Erweiterung des Vorstands ist durchaus eine Option im Rahmen der bereits angesprochenen neuen Organisationsstruktur. So könnten die bisherigen medondo AG-Vorstände Heiko Häckelmann und Kai Meyer-Spradow in den Holding-Vorstand aufrücken, um die Verantwortlichkeiten für den Gesamtkonzern klarer zu definieren. In diesem Fall würde Heiko Häckelmann den Vorsitz übernehmen, Kai Meyer Spradow als COO und ich als CFO der Holding agieren.

Die amalphi-Aktie ist im Freiverkehr gelistet. Vor wenigen Monaten hatten Sie von Überlegungen berichtet, mittelfristig in ein anderes Marktsegment zu wechseln. Gibt es hierzu inzwischen schon konkretere Pläne?

Peter Biewald: Unsere Überlegungen hierzu konkretisieren sich. Insbesondere vor dem Hintergrund unserer geplanten Expansion in andere Märkte und dem zunehmenden Interesse ausländischer Investoren ist es durchaus eine interessante Option, in ein reguliertes Marktsegment zu wechseln. Wir beschäftigen uns deshalb aktuell intensiv mit den hierfür relevanten Themen, insbesondere mit der dann notwendigen Umstellung unserer Finanzberichterstattung von HGB zu IFRS-Standards und den damit einhergehenden Anforderungen und Konsequenzen.

Herr Biewald, besten Dank für das Interview!

Chart: amalphi AG | Powered by GOYAX.de

Peter Biewald, Vorstand

Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre arbeitete Peter Biewald 14 Jahre bei DAX-Unternehmen in verschiedenen Führungspositionen innerhalb des Finanzbereichs mit Schwerpunkten auf Corporate Finance, M&A, IR und Kapitalmarkt. Seit 2002 war er als CFO/ COO in größeren mittelständischen, meist börsennotierten Unternehmen, unter anderem im Biotechnologie-Sektor, tätig. Herr Biewald war nach dem Börsengang der amalphi AG Aufsichtsratsvorsitzender und wechselte im Dezember 2016 in den Vorstand der Gesellschaft.

Kurzinfo zum Unternehmen

Die amalphi AG (künftig medondo holding AG) wurde 2003 gegründet und agiert als Managementholding, unter deren Dach sich rechtlich selbständige Geschäftsbereiche befinden. Die im Geschäftsjahr 2020 zu 100 % übernommene medondo AG entwickelt und vermarktet eine innovative und modular aufgebaute Cloudsoftware für Arztpraxen und Kliniken, die den zurzeit typischen Flickenteppich von schlecht integrierten Insellösungen durch ein einziges voll integriertes System ersetzt. Mit dem Ansatz einer voll integrierten Praxis-Software für Ärzte hat medondo einen bedeutenden USP. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz und einer regelbasierten Ablaufsteuerung werden Prozesse weitgehend automatisiert und die Einhaltung von Qualitätsstandards sichergestellt. Der Nachholbedarf in punkto Digitalisierung, gerade im deutschen Gesundheitswesen, sowie der sehr große Markt mit ca. 350.000 Arztpraxen allein in Deutschland bedeuten, dass wir uns in einem sehr stark wachsenden Marktumfeld bewegen.

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