Die Salzgitter AG steht exemplarisch für die aktuelle Zwickmühle der gesamten deutschen Stahlindustrie: Einerseits zeigt das Unternehmen mit seinem erfolgreichen Ergebnisverbesserungsprogramm P28, dass es durch eigene Kraft die operative Performance stabilisieren kann. Andererseits spiegeln die gesenkten Jahresprognosen und anhaltende Verluste in der Stahlverarbeitung die strukturellen Herausforderungen wider, vor denen die gesamte Branche steht.
Transformation unter Druck: Salzgitter zwischen operativer Konsolidierung und grüner Zukunft.
Während Salzgitter im laufenden Geschäftsjahr einen Rückgang des Außenumsatzes auf 6,9 Mrd EUR hinnehmen musste, zeigt das Vorsteuerergebnis von -72,7 Mio EUR eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahresverlust von -141,2 Mio EUR. Entscheidend hierfür war das interne Ergebnisverbesserungsprogramm „P28“, das laut Finanzvorständin Birgit Potrafki „im Vergleich zum Vorjahr zusätzlich 89 Mio. € Ergebnisbeitrag in den ersten neun Monaten realisiert“ hat. Diese operative Konsolidierung erfolgt jedoch in einem äußerst schwierigen Marktumfeld, das durch „weiterhin hohe Importmengen sowie anhaltend starken Wettbewerbsdruck durch die fortgesetzte Nutzung preisgünstiger russischer Brammen“ geprägt sei.
Salzgitter Aktie trotzdem ein Kauf? Handelspolitik als Gamechanger?
Die jüngsten US-Stahlzölle und die möglichen Reaktionen der EU-Kommission könnten hier eine Wende einleiten. Potrafki sieht Potential in den „neuen handelspolitischen Instrumenten“ der EU, die „die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlindustrie zu stärken“ vermögen. Dies käme einem zentralen Anliegen der Branche entgegen, die unter den „billigeren Stahlimporten aus dem Ausland“ und den „hohen Energiekosten“ leidet, wie die Wirtschaftsvereinigung Stahl berichtet.
Grüne Transformation als langfristige Perspektive? Oder schiesst auch hier Trump quer?
Trotz der kurzfristigen operativen Herausforderungen bleibt die grüne Transformation die entscheidende Zukunftsfrage für die Deutsche und Europäische Stahlindustrie. Und Salzgitter steht hier vor derselben Aufgabe wie die gesamte Branche: Die „sehr teure“ Umstellung auf klimafreundliche Produktionsverfahren, die „massive Investitionen erfordert„, wie das Institut der deutschen Wirtschaft betont. Gleichzeitig bietet genau diese Transformation die Chance, „eine Vorreiterrolle in der grünen Stahlproduktion einzunehmen“ und durch die Etablierung „grüner Leitmärkte“ neue Absatzchancen zu erschließen.
Salzgitter Aktie kaufen oder verkaufen? Geduldsprobe mit ungewissem Ausgang.
Für Anleger stellt sich die Situation bei Salzgitter als Geduldsprobe dar. Das Unternehmen demonstriert mit dem P28-Programm eindrucksvoll seine Fähigkeit zur operativen Optimierung und stärkt seine Finanzierungsstruktur durch die jüngst platzierte Umtauschanleihe über 500 Mio. EUR. Zudem könnte die handelspolitische Entwicklung der EU als Reaktion auf die US-Zölle und der verstärkten Exportversuche chinesischer Hersteller in die EU kurzfristige Erleichterung bringen.
Langfristig jedoch wird die Zukunft der Salzgitter AG – wie die der gesamten Europäischen Stahlindustrie – davon abhängen, „ob die Herausforderungen im Bereich Energie und Wettbewerbsfähigkeit gemeistert und die notwendigen Investitionen für den grünen Umbau getätigt werden können„. Die Aktie bleibt damit eine Wette auf das Gelingen der doppelten Transformation: der operativen Konsolidierung im Hier und Jetzt und der kostspieligen aber unverzichtbaren grünen Transformation für die Zukunft.
Der Erfolg wird maßgeblich davon abhängen, inwieweit es gelingt, die „strategische Bedeutung“ der Branche in konkrete wirtschaftliche Erfolge umzumünzen. Und inwieweit „grüne rWasserstoff“ zu wettbewerbsfähigen Preisen der Stahlindustrie helfen kann eindeutige Vorteile gegenüber den CO2-intensiven Produzenten zumindest bei Klimazielverpflichteten Käufern zu sichern. Dauerhaft.