General Standard | Eyemaxx: SdK Vorstand bezieht Stellung „… man versuchen könnte, gezielt die Anleiheinhaber zu übervorteilen.“

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Die Vorgänge „rund um den Zahlungsausfall und das österreichische Sanierungsverfahren“ bei der Eyemaxx Real Estate AG (ISIN: DE000A0V9L94) werfen eien Flut von Fragen auf. Der Vorstandsvorsitzende der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V, Daniel Bauer versucht etwas Licht in das Geflecht zu bringen und appeliert an die Eyemaxx-Investoren, sich zu wehren. Nochmals zur Vorgeschichte unser Beitrag vom 09.11.2021 „Eyemaxx Kampf eröffnet“. Und nun Daniel Bauer:
Die SdK ruft am 10.11. in einer Presseerklärung dazu auf, dass die Anleiheinhaber der Eyemaxx AG ihre Interessen bündeln sollen. Wieso halten Sie das für notwendig?

Daniel Bauer: Der Vorstand der Gesellschaft hat einen Insolvenzantrag in Österreich gestellt und versucht nun, im Wege einer Sanierungslösung den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern. Leidtragende werden die Anleihegläubiger sein, die wahrscheinlich auf einen großen Teil ihres Investments verzichten sollen. Dabei überrascht das Vorgehen in vielerlei Hinsicht. Einerseits hätten wir erwartet, dass Eyemaxx am Sitz der Gesellschaft in Aschaffenburg einen Insolvenzantrag stellt. Der Gang nach Österreich erweckt für uns den Eindruck, dass man sich hier das österreichische Recht zunutze machen möchte, um die Anleihegläubiger zu übervorteilen. Ferner ist für uns nicht ersichtlich, wie es überhaupt zu der behaupteten wirtschaftlichen Schieflage kommen konnte.

Während die Immobilienbranche boomt, will Eyemaxx einen Großteil der eingesammelten Gelder verloren haben? Und die Verantwortlichen wollen dann einfach so weitermachen, während die Anleiheinhaber auf einen Großteil der Gelder verzichten sollen. Das darf so nicht durchgehen und muss vonseiten der Anleiheinhaber verhindert werden. Hier spricht aus unserer Sicht viel dafür, dass entweder das Gesellschaftsvermögen liquidiert wird oder die Anleiheinhaber die volle Kontrolle über die Gesellschaft erhalten und so gegebenenfalls von einer zukünftig positiven Entwicklung profitieren können. In beiden Szenarien müssen Schadensersatzansprüche gegen Organe und Dritte wie den Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Dafür setzen wir uns ein. Je mehr Anleiheinhaber sich hier zusammentun, desto wahrscheinlicher ist es, dies durchsetzen zu können.

Vielleicht kurz zur Vorgeschichte der Zahlungsprobleme der Eyemaxx. Ist es häufig oder üblich, dass ein börsennotiertes Unternehmen seine Bilanz zum 31.10.2020 nicht einmal mit vorläufigen Zahlen veröffentlicht? Geschweige denn in einem Geschäftsbericht inklusive Testat veröffentlicht?

Daniel Bauer:  Nein, das ist Gott sei Dank die Ausnahme und kommt nur sehr selten vor. 99 % der Gesellschaften legen rechtzeitig ihre Abschlüsse vor. Auch Eyemaxx hat sicherlich bereits Zahlen vorliegen. Ohne diese könnte man ja gar keinen Sanierungsplan erstellen.

Sind diese Fristüberschreitungen ohne jede Konsequenz für ein solches Unternehmen oder dessen Organe?

Daniel Bauer:  Da die Aktien der Eyemaxx im regulierten Markt notiert sind, müsste eigentlich innerhalb von vier Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahrs ein Jahresabschluss publiziert werden. Da die Frist nicht eingehalten worden ist, könnte ein Bußgeld gegen die Gesellschaft verhängt werden. Dies nützt jedoch den Gläubigern nichts, sondern schadet diesen sogar noch, da diese indirekt das Bußgeld über eine niedrigere Quote finanzieren.

Während dieser Zeit ohne Kenntnis des wirtschaftlichen Zustands der Eyemaxx wurde im März eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die Anleihegläubiger stimmten der Änderung der Anleihbedingungen zu und die Emission einer Wandelanleihe wurde noch im August am Markt lanciert. Hätte es nicht bereits zu diesen Anlässen einen „Aufschrei“ geben können? War die Entwicklung nicht im Vorfeld vielleicht erkennbar?

Daniel Bauer:  Die Gesellschaft hatte ja eine Range für das Jahresergebnis im Vorfeld bekannt gegeben. Ich vermute, dass die Gesellschaft die vorläufigen Zahlen nicht publizieren wollte, um Kündigungen vonseiten der Anleiheinhabern aus dem Weg zu gehen. Das hätte unter Umständen zu einem Windhundrennen führen und die Gesellschaft damals schon in die Insolvenz stürzen können. Ob die Maßnahmen angemessen waren zum damaligen Zeitpunkt, kann ich aktuell nicht sagen, da uns noch die Details zum Zustand der Gesellschaft fehlen. Im Nachhinein mutet das natürlich grotesk an, v. a. wenn man bedenkt, dass die Gesellschaft mit dem Schuldverschreibungsgesetz und dem im letzten Jahrzehnt flexibleren Insolvenzrecht auch in Deutschland die Möglichkeit gehabt hätte, frühzeitig eine Sanierung in oder außerhalb der Insolvenz herbeizuführen.

Wie hat die SdK diese Maßnahmen bewertet, gab es bereist leuchtende Warnlichter oder gab es bereits Hinweise von Ihnen?

Daniel Bauer:  Wir hatten im Fall Eyemaxx tatsächlich wenige Anfragen von unseren Mitgliedern. Diese hatten wir auf das Risiko hingewiesen, das alleine schon aus der Nichterfüllung der Publizitätspflichten statistisch gesehen erwächst. Anhaltspunkte, dass ein so hoher Abwertungsbedarf bei den Projekten und Immobilien bestehen könnte, hatten wir nicht und es erscheint uns auch aktuell noch sehr fragwürdig. Wirklich aktiv sind wir aber erst geworden, als die Struktur der Sanierung bekannt wurde, v. a. die Wahl des österreichischen Rechtsrahmens. Das erweckt den Eindruck auf mich, dass man versuchen könnte, gezielt die Anleiheinhaber zu übervorteilen.

Dann hatte die Eyemaxx, im Nachhinein wohl allein zur Ruhigschaltung der Aktionäre und Anleihegläubiger, Halbjahreszahlen veröffentlicht, die durch „muntere Zuschreibungen“ auf zuvor wahrscheinlich abgeschriebene Vermögenswerte einen „Gewinn“ von rund 500 TEURO „errechnet“ haben. Haben Sie sich die Halbjahreszahlen angesehen?

Daniel Bauer:  Das Halbjahresergebnis 2020/21 ist vor allem durch Bewertungseffekte in Höhe von 8,7 Mio. positiv beeinflusst worden. Inwieweit hier Bilanzpolitik betrieben wurde, lässt sich aus unserer Sicht nicht sagen. Es ist Aufgabe der Insolvenzverwalterin Frau Dr. Reisch, dem nachzugehen und gegebenenfalls Ansprüche geltend zu machen, sollte sich hieraus diese ableiten lassen.

Eyemaxx besaß angeblich zum 30.04.2021 laut vom Vorstand zu verantwortender Bilanzierung mehr als 200 Mio. EUR langfristige Vermögensgegenstände und besitzt jetzt im November „aufgrund von coronabedingten“ Abschreibungen keine Mittel/Vermögensgegenstände mehr und will den Anleihegläubigern nur noch 20 % ihrer Anleihen zahlen– innerhalb von drei Jahren. Wie schätzen Sie dieses ein?

Daniel Bauer:  Dies ist, wie bereits erwähnt, für uns nicht erklärbar. Sicherlich kann es zu coronabedingten Verzögerungen und Preissteigerung bei Projekten kommen. Dieser so enorme Verfall der Vermögenswerte in so kurzer Zeit ist aber bei dem gegebenen Marktumfeld nicht nachvollziehbar. Daher lässt sich nur spekulieren, dass eventuell die aktuellen Werte zu niedrig angesetzt sein könnten oder die historischen Werte deutlich zu optimistisch gewesen sein könnten.

Die Halbjahresbilanzen als „Beruhigungspille“ werden auch auf juristische Verwertbarkeit geprüft? Wissen Sie, ob es bereits staatsanwaltliche Ermittlungen gibt?

Daniel Bauer:  Dies ist uns nicht bekannt.

Und jetzt nochmal konkret: Warum sollten sich die Anleihegläubiger der Eyemaxx an die SdK wenden, um „gemeinsam“ gegen was konkret vorzugehen?

Daniel Bauer:  Nur wenn die Anleiheinhaber die Mehrheit der Köpfe und der Forderungen auf den Gläubigerversammlungen stellen, kann ein für die Anleiheinhaber nachteiliger Sanierungsplan verhindert werden. Eine Fortführung der Gesellschaft ist sowieso fraglich. Wieso sollte man eine so schlecht wirtschaftende Gesellschaft überhaupt noch fortführen? Daher sollte jeder Anleiheinhaber sein Stimmrecht auf den kommenden Versammlungen der Gläubiger wahrnehmen oder sich zumindest vertreten lassen.

Was passiert, wenn die Anleihegläubiger gar nichts tun? Was, wenn Sie nicht die – mit sehr engen Fristen –Anmeldung ihrer Forderungen beim österreichischem Insolvenzgericht durchführen?

Daniel Bauer: Sollte der Insolvenzplan wie von der Gesellschaft vorgesehen durchgehen, würde man wohl nur einen Bruchteil des investierten Geldes wiedersehen, da der Nominalwert der Anleihe beschnitten würde. Im Rahmen eines Sanierungsplans müssten aber unserer Kenntnis nach auch im österreichischen Recht alle Anleiheinhaber gleich behandelt werden. Unabhängig von der Anmeldung zur Insolvenztabelle. Im Falle einer Abwicklung müsste jedoch jeder Anleiheinhaber seine Forderung anmelden. Wichtig ist aber, dass nur diejenigen, die bis zum 1.12.2021 ihre Forderung angemeldet haben, auch über den Sanierungsplan abstimmen dürfen.

Wie sehen Sie die Chancen, dass ein deutsches Insolvenzverfahren eröffnet wird? Gäbe es dann zwei Verfahren mit Anmeldungspflichten der Anleihebesitzer bei beiden?

Daniel Bauer: Unsere Juristen schätzen die Chancen als gering ein. Wieso sollte sich das Gericht in Deutschland ein Insolvenzverfahren aufbürden, wenn in einem Staat wie Österreich bereits ein entsprechendes Verfahren läuft? Wenn, dann könnten v. a. Projektgesellschaften aus Deutschland ein eigenes Verfahren eröffnen, das könnte durchaus passieren.

Was ist eigentlich mit der 30-Mio.-EUR-Eyemaxx-Anleihe, die als letzte von Eyemaxx emittiert wurde und mit dem „Zucker“ einer grundbuchrechtlichen Absicherung „verkauft“ wurde? Sind diese Grundbucheinträge belastbar? Wäre das eine Sonderrolle für diese Gläubiger?

Daniel Bauer: Wir gehen davon aus, dass die Besicherungen standhalten, die Anleiheinhaber also vorab aus den Sicherheiten bedient werden dürften. Wir haben aber starke Zweifel, dass die Sicherheiten ausreichen, um die Anleihegläubiger auch nur annähernd zu befriedigen.

Was konkret sollten Anleihegläubiger der Eyemaxx jetzt tun?

Daniel Bauer: Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden und das Stimmrecht wahrnehmen. Und etwas Geduld mitbringen und kühlen Kopf bewahren.

Haben sei schon eine Ahnung, wie lange sich das ganze Verfahren/Prozedere für die Anleihegläubiger hinziehen könnte? Wann könnten die Anleihegläubiger erstes Geld sehen?

Das kommt darauf an, wie das Verfahren verläuft. Geht alles so wie von der Gesellschaft gewünscht, könnte das bereits im ersten Halbjahr 2022 der Fall sein. Kommt es zur Abwicklung der Gesellschaft mit dem Verkauf aller Immobilien und Projekte, dürfte das erst Ende 2023 der Fall sein.

Haben sie irgendeine Vorstellung über erreichbare Quoten? Wieviel schlechter wären diese bei einem ausschließlich österreichischen Sanierungsverfahren?

Mit Quotenprognosen haben wir schlechte Erfahrungen gemacht, da immer wieder Unverwertbares eintritt. Daher halten wir uns hierbei lieber zurück.

Für die Leser, die die SdK noch nicht kennen: Können Sie kurz die Arbeitsweise, den Ansatz und die Historie der SdK vorstellen? Wie finanzieren Sie sich?

Daniel Bauer:  Die SdK ist eine Anlegervereinigung, die 1959 gegründet wurde. Wir vertreten vor allem die Interessen von Streubesitzaktionären auf Hauptversammlungen und Anleiheinhabern auf Gläubigerversammlungen. Im Zweifel führen wir auch Gerichtsverfahren, sofern wir die Rechte der Anleger als verletzt ansehen. Unser größtes Anliegen ist aber die Anlegerbildung. Daher geben wir unsere eigene Anlegerzeitschrift AnlegerPlus heraus und führen Anlegerstammtische und Anlegerforen durch. Wir arbeiten aktuell mit 15 Festangestellten in der Geschäftsstelle in München und rund 50 ehrenamtlich tätigen SprecherInnen, die uns v. a. auf den Versammlungen vertreten.

In Sondersituationen wie diesen beauftragen wir dann meist externe Kanzleien, die Interessen unserer Mitglieder und Stimmgeber wahrnehmen. Nur durch gemeinschaftliches Handeln ist so etwas möglich, denn für den einzelnen Anleger lohnt es sich meist einfach nicht, für teures Geld Anwälte zu mandatieren. Meist ist da das Investment einfach zu gering. Die SdK hat rund 8.000 Mitglieder und finanziert sich zu ca. drei Vierteln aus den Mitgliedsbeiträgen. Der Rest des Budgets stammt v. a. aus Werbeanzeigen in unserer Anlegerzeitschrift und Wertpapiererträgen aus der Verwaltung des Vereinsvermögens.

Und wie lange sind Sie „dabei“? Was motiviert Sie, sich bei der SdK zu engagieren?

Daniel Bauer: I ch bin seit 2004 dabei. Auf die SdK bin ich durch den Fall Primacom aufmerksam geworden. Ich hatte damals als Student ein paar Aktien der Gesellschaft gekauft. Hedgefonds wollten dann die Gesellschaft aufgrund einer angeblichen Überschuldung vor der Insolvenz retten und boten den Aktionären rund 25 Cent je Aktie an. Die SdK hatte eine starke Position auf der entscheidenden Hauptversammlung und lehnte den Vorschlag der Hedgefonds ab, besetzte den Aufsichtsrat, u. a. mit zwei SdK-Vertretern, und den Vorstand neu. Schlussendlich konnte nach einem längerem Hin und Her mit mehreren Gerichtsverfahren eine Einigung mit den Hedgefonds gefunden werden.

Die Gesellschaft wurde dann vier Jahre später zu 10 Euro je Aktie übernommen. Ich denke, als einzelner Anleger ist man in bestimmten Situationen wie Übernahmen, Squeeze-outs oder Insolvenzverfahren oft wenig schlagkräftig. Zusammen kann man dann mehr erreichen. Und Deutschland braucht ein starkes Fundament an Kapitalanlegern, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen. Ohne eine vernünftige Aktienkultur in Deutschland wird dies nicht möglich sein. Dafür lohnt es sich zu kämpfen.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!
Daniel Bauer  | Vorstandsvorsitzender der SdK

Daniel Bauer studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Volkswirtschaftslehre. Während seines Studiums war Herr Bauer für die WAI GmbH, für die American Heritage Management Corporation und die Macquarie Bank tätig. Herr Bauer ist seit 2004 Mitglied der SdK und wurde im März 2009 in den Vorstand gewählt.

Zu seinen Tätigkeitsbereich zählen u. a. das Mitgliedermarketing und die Mitgliederbetreuung.

Im Frühjahr 2016 wurde Herr Bauer zum Vorstandsvorsitzenden gewählt.

Über die SdK

Die 1959 gegründete SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. ist mit aktuell ca. 8.000 Mitgliedern eine der führenden deutschen Anlegervereinigungen. Der Schwerpunkt der Arbeit der SdK ist die Interessenvertretung für Kapitalanleger, vor allem von Keinanlegern. Hierzu zählen vor allem der Schutz von Minderheitsaktionären und die Interessensvertretung von Gläubigern in Sondersituationen (Sanierungen, Insolvenzverfahren). Als begeisterte Kapitalmarktteilnehmer erbringen die drei Vorstände und 60 Sprecherinnen und Sprecher der SdK viel ehrenamtliches Engagement vor allem zu Gunsten einer Verbesserung der Investitionsbedingungen und der Fortentwicklung der Investitions- und Aktienkultur.

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