General Standard | Berentzen-Vorstand im Interview: „Wenn es in Deutschland soweit ist, werden wir da sein“

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In unserem heutigen Interview haben wir unsere Fragen an Herrn Oliver Schwegmann, Vorstand der Berentzen-Gruppe AG (ISIN: DE0005201602), gestellt.

Ende März haben Sie Ihren Geschäftsbericht 2020 veröffentlicht. Das vergangene Jahr war ja von einem Thema dominiert: Corona. Ein kurzes Resümee: Wie ist die Berentzen-Gruppe im Jahr 2020 durch die Pandemie gekommen?

Oliver Schwegmann: Die Coronavirus-Pandemie hat sich im Jahr 2020, aber natürlich auch in den ersten Monaten dieses Jahres sehr deutlich in der Geschäftstätigkeit der Berentzen-Gruppe niedergeschlagen. Insgesamt sind die Konzernumsatzerlöse im Geschäftsjahr 2020 um 7,7 Prozent versus Vorjahr zurückgegangen. Das Konzern-EBIT lag nach 9,8 Mio. Euro in 2019 im Corona-Jahr 2020 bei 5,2 Mio. Euro. Dabei waren alle unsere Geschäftsbereiche von negativen Auswirkungen betroffen, allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmaß und auch innerhalb der einzelnen Geschäftsbereiche hatten wir sehr heterogene Entwicklungen. Zusammenfassend kann man sagen, dass uns die Coronavirus-Pandemie signifikant getroffen hat, aber sie bedroht uns nicht substanziell und schon gar nicht nachhaltig. Trotz der negativen Effekte ist es uns am Ende gelungen, das Geschäftsjahr 2020 profitabel abzuschließen. Dabei konnte jedes einzelne Quartal trotz teilweiser schwierigsten Lockdown-Situationen zum insgesamt positiven Ergebnis beitragen.

Schmerzhaft ist für uns, dass die Pandemie unseren erfolgreichen Wachstumspfad der Vorjahre unterbrochen hat. Wir waren bereits auf einem sehr guten Weg. So haben wir in den Geschäftsjahren 2017 bis 2019 echtes qualitatives Wachstum erzielen können, das heißt wir konnten nicht nur den Umsatz, sondern auch die Rohertragsquote jedes Jahr kontinuierlich steigern. Die Valorisierungsstrategie haben wir also konsequent umgesetzt und zum Erfolg gebracht

Bleiben wir doch noch einmal kurz bei Ihren Segmenten. Können Sie uns hier die unterschiedlichen Entwicklungen skizzieren?

Oliver Schwegmann: Im Segment Spirituosen konnten wir im Geschäftsjahr 2020 das Umsatzniveau des Vorjahres weitgehend halten. Allerdings haben unsere Marken Berentzen und Puschkin, die ja vor allem für Geselligkeit, für das Feiern in Gemeinschaft stehen, signifikant an Absatzvolumen und Umsatz verloren, einfach weil die üblichen Konsumanlässe wie Schützenfeste, Musikfestivals, aber vor allem auch die privaten Feiern nicht oder kaum stattfinden konnten. Hingegen haben wir im Bereich Handelsmarken deutlich zugelegt und hierbei vor allem mit unseren Premiumkonzepten punkten können. Ein Großteil des Konsums hat sich im vergangenen Jahr nach Hause verlagert. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind durch die Pandemie und die damit verbundenen Unsicherheiten im letzten Jahr preissensitiver geworden, wollten aber dennoch nicht auf hochwertige Genussspirituosen verzichten. Für diesen Spagat sind Premiumhandelsmarkenprodukte prädestiniert. Demzufolge hat sich unsere vor einigen Jahren eingeschlagene Premiumisierungsstrategie bewährt.

Das Segment Alkoholfreie Getränke hat mit einem Umsatzminus von 11,8 Prozent im vergangenen Jahr schon deutliche Einbußen verzeichnet. Das wiederum lag vor allem an der temporär geschlossenen Gastronomie. Unsere Lizenzmarke Sinalco vermarkten wir fast ausschließlich in diesem Absatzkanal, so dass dieses Geschäft in den Lockdown-Monaten fast vollständig zum Erliegen gekommen ist. Unser eigenes Markenportfolio konnte hingegen im Absatz und im Umsatz im vergangenen Jahr trotz der vielen Einschränkungen sogar ein leichtes Plus erzielen. Allen voran stand wieder einmal unsere Topmarke Mio Mio, bei der wir unser Absatzvolumen um 11,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern konnten und das, obwohl auch hier negative Effekte durch die Pandemie spürbar waren, etwa aufgrund der Schließung der Universitäten, wovon die für uns sehr wichtige Zielgruppe der Studierenden betroffen war.

Die stärksten Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie haben wir aber im Segment Frischsaftsysteme verzeichnet. In diesem Segment sind die Umsatzerlöse im Geschäftsjahr 2020 um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Auch hier schlagen sich einerseits die Schließungen von Hotellerie und Gastronomie nieder. Andererseits ist aber auch der für uns wichtige Lebensmitteleinzelhandel betroffen, weil die Händler mit der Umsetzung von Hygienekonzepten und der Sicherstellung von Warenverfügbarkeit im vergangenen Jahr derart ausgelastet waren, dass sie sich nicht mit der Anschaffung zusätzlicher Investitionsgüter, zu denen unsere Fruchtpressen ja zählen, auseinandersetzen konnten.

Trotzdem fielen Ihre Rückgänge ja insgesamt noch so aus, dass Sie weiter schwarze Zahlen schreiben konnten. Welche Gegensteuerungsmaßnahmen haben Sie denn eingeleitet, um die negativen Effekte abzufedern?

Oliver Schwegmann: Zunächst muss man festhalten, dass wir als Konzern im vergangenen Jahr viel Rohertrag verloren haben, weil insbesondere margenstarke Produkte von den negativen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie betroffen waren. Die Gegensteuerungsmaßnahmen, mit denen wir schon sehr früh im vergangenen Jahr – genauer im März 2020 – begonnen haben, führten letztlich dazu, dass diese deutlichen Rohertragsverluste nicht 1:1 auf das Ergebnis durchgeschlagen sind. Hier sprechen wir also von den Maßnahmen, die wir auf der Kostenseite umgesetzt haben. Wir haben unsere Marketingbudgets sehr stark zurückgefahren – auch, weil viele Werbemaßnahmen vor dem Hintergrund der Pandemie gar keinen Sinn mehr gemacht hätten, etwa bei Kampagnen für Produkte, die für Geselligkeit stehen. An einigen Stellen, bei denen dies unvermeidbar war, haben wir zudem temporär in gewissem Umfang Kurzarbeit eingesetzt. Das betraf vor allem die Bereiche Vertrieb und unseren Berentzen Hof, weil zeitweise weder Außendienstbesuche bei unseren Handelspartnern noch der touristische Betrieb an unserem Stammsitz möglich waren. Auch einige vakante Positionen haben wir vorübergehend nicht nachbesetzt. Darüber hinaus konnten wir viele sonstige Gemeinkosten einsparen.

Um außerdem unsere gute Liquidität zu schonen, haben wir geplante Investitionen, die nicht unbedingt notwendig waren, verschoben. Neben diesen Maßnahmen auf der Kosten- und Investitionsseite, die sich positiv auf Geschäftsergebnis und Cash Flow auswirkten, haben wir selbstverständlich zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die die Aufrechterhaltung unserer Betriebsfähigkeit sicherstellen sollten. Primär ging es dabei darum, die Gesundheit unserer Beschäftigten zu schützen. Hier ist vor allem die Umsetzung eines weitreichenden Schicht- und Präsenzkonzeptes zu nennen, bei dem wir zwar negative Effizienzeffekte zum Beispiel durch Maschinenstillstand beim Schichtwechsel in Kauf nehmen mussten, dies aber letztlich mit dazu geführt hat, dass wir bislang keine Infektionsübertragungen in unseren Betrieben hatten und auch insgesamt innerhalb der Belegschaft bis heute nur zwei Coronafälle verzeichneten.

War die Berentzen-Gruppe also im vergangenen Jahr in einem Dauerkrisenmodus?

Oliver Schwegmann: Sicherlich beschäftigen wir uns mit dem Thema und seinen Auswirkungen seit Beginn der Pandemie dauerhaft und es prägt permanent unseren unternehmerischen Alltag. Bereits sehr früh haben wir in diesem Zusammenhang auch unseren Krisenstab eingesetzt, der über die verschiedenen Facetten berät und Handlungsempfehlungen erstellt. Es gilt ja auch immer wieder neue Anforderungen umzusetzen, wie beispielsweise zuletzt ein umfassendes Testkonzept. Trotz all der Herausforderungen, die die Coronavirus-Pandemie mit sich bringt, sind wir aber nicht in einem Dauerkrisenmodus verhaftet geblieben, sondern haben wichtige Projekte, die einen Beitrag zum nachhaltigen Unternehmenserfolg leisten, konsequent vorangetrieben. Zwei wesentliche Meilensteine waren dabei der Start unserer eigenen Außendienstorganisation, der Berentzen-Vivaris Vertriebs GmbH, und der Zukauf der Premium Cider-Marke Goldkehlchen.

Unsere neu gegründete und aufgebaute Vertriebsgesellschaft, die externe Dienstleister ablöst, wird für eine höhere Geschwindigkeit und mehr Schlagkraft auf den Verkaufsflächen der Handelspartner sorgen, weil eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit mehr Fokus agieren und sich stärker mit unseren Marken identifizieren. Durch den Kauf von Goldkehlchen erschließen wir ein neues und modernes Getränkesegment und treiben unsere Mission voran, als breit aufgestellter Getränkekonzern innovative und moderne Getränkeideen zu vermarkten. Goldkehlchen hat ein klares Wachstumspotenzial, denn moderne Cider und andere sogenannte „Ready-to-drink-Konzepte“ zeigen ein zweistelliges Wachstum sowohl im deutschen als auch im internationalen Markt – und das sogar in einem schwierigen Jahr 2020.

Wir haben darüber hinaus auch andere bedeutende Projekte umgesetzt, wie beispielsweise den Start unserer Nachhaltigkeitsstrategie Ende des vergangenen Jahres.  Mit neu beschlossen Zielen und Maßnahmen in den drei Handlungsfeldern People, Planet und Products systematisieren, konkretisieren und erweitern wir damit unser Nachhaltigkeitsengagement. Zudem haben wir wesentliche Finanzierungselemente abgesichert. Im ersten Quartal 2020 konnten wir beispielsweise zwei bestehende Factoringvereinbarungen vorzeitig um drei Jahre bis Ende März 2024 prolongieren, nachdem wir bereits zuvor Kreditlinien verlängert hatten.

Aber es geht ja nicht nur darum, wie wir das letzte Jahr gemeistert haben, sondern auch wie wir uns für die Zukunft aufstellen. Neben diesen genannten Themen, die ja alle auch prospektive Wirkung haben, ist uns ein Punkt noch besonders wichtig. In all unseren Geschäftsbereichen arbeiten wir derzeit intensiv an innovativen neuen Produkten: Von einer neuen Liköroffensive bei den Markenspirituosen und weiteren Premiumkonzepten im Handelsmarkenbereich über neue Varianten für die Marke Mio Mio bis hin zu technologisch weiterentwickelten, digitalen Fruchtpressen.

Um also auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Selbstverständlich sind wir im Krisenmodus, aber wir nutzen die Zeit der Pandemie und des Lockdowns sehr intensiv, um uns vorzubereiten. Vorzubereiten auf die Rückkehr auf unseren profitablen Wachstumspfad, den Corona vorübergehend unterbrochen hat.

Wenn Sie von der Rückkehr auf den Wachstumspfad sprechen: Was erwarten Sie vom Geschäftsjahr 2021 insgesamt und wie sieht Ihre Vorstellung von der weiteren Zukunft darüber hinaus aus?

Oliver Schwegmann: Für das Geschäftsjahr 2021 gehen wir insgesamt bei unseren drei Erfolgskennzahlen Konzernumsatzerlöse, -EBIT und -EBITDA davon aus, dass diese jeweils in etwa auf dem Niveau des Vorjahres liegen. Das Geschäftsjahr 2021 steht insgesamt unter ähnlichen Vorzeichen wie das Geschäftsjahr 2020, allerdings mit einer etwas anderen Verteilung der negativen Effekte auf die einzelnen Quartale.

So wird sich in den Q1-Zahlen, die wir am 4. Mai veröffentlichen werden, der anhaltende Lockdown selbstverständlich stärker widerspiegeln als im Vorjahresquartal, da sich die Pandemie im Jahr 2020 erst ab Mitte März mit all ihren Auswirkungen gezeigt hatte. Diese Entwicklung hatten wir bereits bei der Bekanntgabe unserer Jahresprognose Anfang Februar erwartet und entsprechend kommuniziert. Hingegen war im letzten Jahr das Jahresende sehr herausfordernd – gerade für uns, weil das vierte Quartal üblicherweise unser ertragsstärkstes ist. Für das Geschäftsjahr 2021 rechnen wir damit, dass das öffentliche und private Leben im weiteren Jahresverlauf schrittweise zur Normalität zurückkehren kann – und zwar in dem Tempo, in dem die Impfungen voranschreiten werden. Konkrete, positive Auswirkungen auf unsere Geschäftstätigkeit sollten daher ab dem dritten Quartal eintreten.

Wenn wir einen längerfristigen Blick in die Zukunft werfen, gerade auch der über das Jahr 2021 hinaus, sind wir sehr optimistisch. Die gesellige Lebensfreude und das Feiern in Gemeinschaft werden in das Leben der Menschen zurückkehren – vielleicht sogar stärker als je zuvor.  Die Menschen haben eine intensive Sehnsucht nach sozialer Interaktion und sie werden dieses Miteinander ausleben, wenn sie es wieder können. Als vor kurzem nach dem Erreichen einer entsprechenden Impfquote in Israel die Clubs und Diskotheken wieder geöffnet wurden, strömten die Menschen in Massen dorthin. Genau für diese Momente, in denen die Menschen zusammenkommen, um gemeinsam das Leben zu feiern, stehen wir als Berentzen-Gruppe mit unseren Produkten. Wenn es also auch in Deutschland soweit ist, werden wir da sein.

Wir bedanken uns recht herzlich bei Ihnen und wünschen Ihnen für die Zukunft weiterhin viel Erfolg.


Chart: Berentzen Gruppe AG | Powered by GOYAX.de

Oliver Schwegmann, Vorstand Berentzen-Gruppe AG

berentzen gruppe oliver schwegmannOliver Schwegmann ist im Juni 2017 in den Vorstand der Berentzen-Gruppe Aktiengesellschaft eingetreten. Er verantwortet die Ressorts Marketing, Vertrieb, Produktion & Logistik, Einkauf sowie Forschung & Entwicklung. Oliver Schwegmann war zuvor als Country Managing Director für L’Oréal Suisse tätig und hatte Führungspositionen bei der Hero AG, der Mars GmbH und der August Storck KG inne.


Kurzinfo zum Unternehmen

Die Berentzen-Gruppe ist ein breit aufgestelltes Getränkeunternehmen mit den Geschäftsbereichen Spirituosen, Alkoholfreie Getränke und Frischsaftsysteme. Als einer der ältesten nationalen Hersteller von Spirituosen blickt die Berentzen-Gruppe auf eine Unternehmensgeschichte von über 250 Jahren zurück und ist heute mit bekannten Marken wie Berentzen und Puschkin sowie preisattraktiven Private-Label-Produkten in mehr als 60 Ländern weltweit präsent. Im Geschäftsbereich Alkoholfreie Getränke stellt die Unternehmensgruppe Mineralwässer, Limonaden und Erfrischungsgetränke eigener Marken her und verfügt zudem über mehr als 50 Jahre Erfahrung im Konzessionsgeschäft, gegenwärtig als Lizenznehmerin für die Marke Sinalco. Unter der Marke Citrocasa bietet die Berentzen-Gruppe in ihrem dritten Geschäftsbereich darüber hinaus innovative Frischsaftsysteme an und bedient damit den Wachstumsmarkt der modernen, gesundheitsorientierten Getränke. Die Aktie der Berentzen-Gruppe Aktiengesellschaft (ISIN DE0005201602) ist im Regulierten Markt (General Standard) der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet.

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